Das Gesetz hat nichts mit Menschlichkeit zu tun

Das Gesetz hat nichts mit Menschlichkeit zu tun.

Wir kennen alle diese Geschichten, die gern vor Weihnachten ihre Runden machen. Die, wo es um Menschen geht, die mit Schicksalen zu kämpfen haben, die außer der „Norm“ liegen. Wir lesen davon in den Zeitungen, werden via TV und Internet darauf aufmerksam gemacht und bekommen Mails mit Detailbeschreibungen.
Immer damit verbunden: die Aufforderung zu spenden, etwas zur Linderung zu tun.
Und weil Weihnachten ist wird gerne und öfter gespendet, es beruhigt das Gewissen und wir haben das gute Gefühl, etwas zur Linderung getan zu haben.
Nach Absenden des Betrags ist die Geschichte ad acta gelegt und wir können besinnlich in die Christbaumkerzen schauen.
Und alle Jahre wieder startet diese Saison erneut. Das ist weder schlecht und soll auch nicht kritisiert werden. Es ist so – nicht mehr und nicht weniger.
Doch fallweise „passiert“ es einem, dass man live mit einer solchen Geschichte in Berührung kommt – und auf einmal den Unterschied spürt, zwischen dem, was man virtuell an Betroffenheit abhandeln kann und dem, was menschlich und emotional in der Realität damit verbunden ist.
Auf einmal bekommt die tragische anonyme Geschichte ein Gesicht, zwei Hände und Augen, in denen Tränen aus Wut und Verzweiflung stehen … und dahinter lauert bereits die Hoffnungslosigkeit darauf gnadenlos zuzuschlagen.
Nein, das ist keine der üblichen „Bitte helft, denn es ist Weihnachten und wer schnell hilft, hilft doppelt!!!“ – Geschichten. Denn dass dieser Ansatz erkannt und beherzigt wird, das setze ich voraus – wer ein Herz hat und sich Mensch nennen will, der spürt, dass hier schnelle Hilfe mehr als nur notwendig ist.
Diese Geschichte ist in ihrer Realität dermaßen lebensnah und brutal, dass sie einem den Atem nimmt und beschämt. Die Scham richtet sich hier allerdings gegen ein System, das wir unterstützten und gemeinsam beschlossen haben – es geht um die Menschlichkeit der Gesetze. Die Scham richtet sich gegen uns.
Hier die Fakten:
Beatrix Maxharri ist Mutter einer bezaubernden, zweieinhalb jährigen Tochter. Ein besonders Kind: Hannah ist schwer behindert. Bereits vor der Geburt stand fest, dass eine intensive Aufgabe auf die Mutter zukommen würde. Der Entschluss sich dieser zu stellen stand fest und Beatrix hat diesen Entschluss auch nicht bereut … zumindest nicht im Zusammenhang mit ihrer wundervollen Tochter.
Die Diagnose lautet Hydrocephalus e vacuo - Wasserkopf ohne Druck, die Gehirnmasse des Mädchens beträgt nur 50%. Hinzu kommt, dass Hannah schwere Epileptikerin ist und eine permanenten Status epileptico hat –
sprich: die Krampfanfälle sind sehr häufig und können jederzeit und überall in stärkerer oder schwächerer Form auftreten.
Ein Kind also, das eine lebenslange Aufgabe darstellt. Doch damit die verbunden die Belohnung die kleinsten Fortschritte als Wunder sehen zu können und rückhaltlos zu genießen. Damit verbunden auch: ein Kind mit dermaßen sonnigen und heiteren Gemüt, dass es die Umgebung rundum damit erhellt.




Das allein ist bereits keine leichte Story – man bewundert die Mutter und das Kind und denkt sich, selbst Mutter zweier lebhafter, aber Gott sei Dank gesunder Kinder, dass hier ein sehr intensives Schicksal zwei und mehr Menschen besonders fordert.
Hannah braucht rund um die Uhr Pflege und Betreuung. Den Job als Pharmareferentin hat Beatrix mit der Geburt ihres Kindes aufgegeben. Damit verbunden natürlich auch die finanziellen Annehmlichkeiten. Doch als Teil eines sozialen Systems hat sie Anspruch auf Unterstützung und hat sich beim Arbeitsamt entsprechend gemeldet.
Hannah braucht nicht nur sehr intensive Pflege, sie braucht auch eine regelmäßige und eine sehr kostenintensive Therapie. Die Kosten allein für die Ergotherapie betragen 650,-- Euro im Monat, von denen vier Monate später ca. 300 Euro als Krankenkassenzuschuss retour überwiesen werden.
Hinzu kommen oftmalige Aufenthalte im Spital. Wenn das Kind krampft hilft nur noch die Notaufnahme und eine intensive ärztliche Versorgung. Jeder Fortschritt in Hannahs Entwicklung ist hart erkämpft und kann getrost als 8000er-Gipfelsieg gesehen werden. Einige Berge wurden bereits erobert, doch es warten noch sehr viele und dazwischen liegen unüberwindlich scheinende Täler.

Man sollte meinen, dass es die beiden – Mutter und Kind – es schon so schwer genug haben, was ja auch richtig und wahr ist.
Doch wenn einem das Schicksal besonders prüfen will, dem schickt es spezielle Lernpartner. In Beatrix und Hannahs Fall ist dies das Arbeitsmarktservice. An sich dazu da, die Betreuten optimal zu unterstützen und wieder in den Arbeitsmarkt bestmöglich zu integrieren.
In Beatrix Fall allerdings schwierig, denn es gibt keine Betreuungsmöglichkeit für das schwer behinderte Kind. Ein Kindergartenplatz ist für kommendes Jahr in Aussicht – dann wird Hannah drei und ein Platz sollte möglich sein.
Kennt man diese Fakten und alle anderen, die damit verbunden sind, dann sollte einem die Logik sagen, dass hier mehr eine Unterstützung der Personen, denn eine Integration in den Arbeitsmarkt Sinn macht.
Allein, diese Logik ist nicht gesetzeskonform.
Denn rein rechtlich MUSS Beatrix vermittelt werden und wird zu entsprechenden Terminen verpflichtend geschickt. Wird der Termin nicht wahrgenommen, aus welchem Grund auch immer, ist dies ein Grund, die Bezüge, die das Überleben der kleinen Familie und die notwendige Therapie sichern, zu streichen.
So geschehen vor kurzem: Hannah wurde mit einem epileptischen Anfall ins Krankenhaus eingeliefert. Ihre Mutter natürlich dabei, wer lässt schon sein kleines, krankes Mädchen allein. Durch eine „klassische“ Verkettung unglücklicher Umstände konnte ein Vorstelltermin, nicht wahrgenommen werden. Die Bezüge wurden kommentarlos gestrichen.
Damit verbunden auch ein Aussetzen der Sozialversicherung – Mutter und Kind sind mit einem Schlag nicht mehr krankenversichert.
Die Info darüber kam allerdings erst sehr viel später bei Beatrix an – bei einem persönlichen Gespräch mit der Betreuerin am AMS.
Die „Verkettung unglücklicher Umstände“ hatte mehrere Komponenten, die allerdings nicht schicksalsbezogen, sondern mit durchaus menschlichen Ursachen verbunden war: eine Mail, die nicht angekommen ist. Ein eingeschriebener Brief, der auf Grund des KH-Aufenthaltes von Mutter und Tochter, nicht schnell genug abgeholt wurde und eine sehr traurige Vorgeschichte, die mit nicht vorhandener amtlicher Emotion, aber sehr viel Dienst nach Vorschrift verbunden ist.
Der langen Rede kurze, aber entsetzliche Tragik:
Beatrix und Hannah stehen ein paar Tage vor Weihnachte vor dem Nichts. Kein Geld – weder für die dringend notwendige Ergotherapie, noch genug um die Kreditraten zu bezahlen, noch für Weihnachtsgeschenke … es geht schlichtweg ums Überleben.
Beim Termin am AMS, zu dem Mutter und Tochter erschienen (es gibt wie gesagt keine Betreuung für ein Kind, dass jederzeit krampfen könnte), erlitt die Mutter einen Nervenzusammenbruch und bat um Hilfe für ihre Situation.
Die Reaktion der Behörde: Es geht hier um Gesetze. Das hat nichts mit Menschlichkeit zu tun.

Ich kenne Beatrix und Hannah persönlich. Beatrix ist eine bewundernswert starke Frau, die trotz ihrer großen Aufgabe fröhlich, optimistisch und sehr hilfsbereit geblieben ist. Sie hat sich in einem Verein für Kinderbetreuung engagiert – doch musste sie diese Tätigkeit bald wieder aufgeben, da ihr eigenes Kind ihre ganze Zeit in Anspruch nimmt. Ich hab nie ein Wort gehört, dass sie das bedauert. Im Gegenteil, sie freut sich unbändig über jeden Schritt den Hannah schafft.
Hannah selbst kenne ich auch – ein Kind, das bedingungslose Fröhlichkeit ausstrahlt und immer lacht und einem damit die Tränen in die Augen treibt. Wenn man ein Role-Model für den Begriff „sonniges Wesen“ braucht: Hannah ist das lebendige Synonym dafür.
Mit wachsendem Entsetzen habe ich daher die Geschichte der beiden erfahren und nach einem sehr langen Gespräch mit Beatrix beschlossen, sie hier vorzustellen.
Ja, es geht ganz klar darum, den beiden sofort und rasch zu helfen – mittels Spenden. Ein Sparbuch, auf das Beträge eingezahlt werden können, gibt es bereits. Und ganz gleich wie groß der Betrag ist: jeder Cent macht Sinn.
Aber es geht auch darum, dass wir uns bewusst werden, welche Menschlichkeit in dem System steckt, dass wir uns geschaffen haben.
Wir leben in einem Land, das einen der höchsten Lebensstandards in Europa aufweist. Wir haben ein soziales System, dass dafür sorgt, dass man im Krankheitsfall versorgt wird. Es gibt Pensionen und Fonds – es geht uns an sich gut.
Aber dennoch hat sich in das System ein Fehler eingeschlichen. Denn anders ist es nicht zu erklären, dass Menschen wie Beatrix und Hannah nun um ihre Existenz fürchten müssen. Tief erschüttert hat mich die Aussage, dass das Gesetz nichts mit Menschlichkeit zu tun hat.
Das kann einfach nicht sein – denn diese Gesetze wurden und werden von Menschen gemacht. Das sind wir alle.
Wenn also das Gesetz diese Katastrophe ausgelöst hat, dann braucht es Menschen, die diesen gesetzlichen Menschlichkeitsmangel ausbessern und korrigieren.
Es kann nur eine erste Hilfe sein, Beatrix und Hannah mittels Spenden eine sofortige Unterstützung zu geben. Das langfristige Ziel muss sein, den beiden und anderen in ihrer Situation ein lebenswürdiges und von der Gesellschaft unterstütztes Leben in Würde zu ermöglichen.
Nicht als Almosen, sondern als logische Handlung für das, was Menschsein ausmacht: Empathie und Fürsorge füreinander.
Und keine sinnlos-schmerzhaften Paragraphenreitereien, die weder Arbeitssuchenden noch Firmen helfen, welche Mitarbeiter suchen.
Ich weiß, dieser Text ist sehr lang. Aber er wäre noch viel länger und deprimierender, wenn ich auch alle grausamen Details schildern würde, die mit der persönlichen Geschichte von Beatrix und Hannah zu tun haben.
Aktuell wird von einem Anwalt eine Berufung vorbereitet und der Ausgang dieses Verfahrens könnte durch eine zu aufklärerische Schilderung der Vorfälle gefährdet sein. Daher diese lange Kurzform mit einer ersten Darstellung des Dramas.

Meine Bitte:
Wer spenden will und kann – hier sind die Kontodaten.
Bank Austria, Kontonummer: 52115085378, BLZ: 12000
… und es zählt jeder Betrag.

Wer emotionale Unterstützung für Beatrix und Hannah geben möchte oder mehr wissen will: hier ist Beatrix Email Adresse: beakoh@gmx.at. Sie freut sich über jede Unterstützung, auch über „Mut-mach-Mails“. Es gibt mittlerweile auch einen Blog: http://hannahkohlhauser.blogspot.com/
Wer in seinem Umfeld etwas beitragen kann – sei es als UnternehmerIn, BehördenvertreterIn, JournalistIn, PolitikerIn … als Mensch, dem anderen Menschen wichtig sind: Greift die Geschichte auf, recherchiert in eurer Umgebung ähnliche Schicksale und tut etwas, um eine Bewusstseinsänderung zu bewirken.
Mag sein, dass das bei manchen nur ein zarter Wink ist, wie der Flügelschlag eines Schmetterlings. Aber aus der Chaos-Theorie wissen wird, dass so ein Wink einen Orkan aus lösen und Veränderungen bewirken kann.
Es braucht nur drei Buchstaben, damit wir diese Misere, die wir alle miteinander irgendwie auch mit bewirkt haben, verbessern und ändern: das T U N.
Danke fürs Zuhören, Lesen und Weitergeben!
Michaela Schara (www.midesign.at – hello@midesign.at – 0676 41 78 784)